Pressemitteilung: Kommunen zwischen den Fronten?

SVZ-Beitrag 06 08 16
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In der SVZ las ich, dass die IHK als Interessenvertreter vieler Unternehmen wünscht, dass die Kommunen die Gewerbesteuer nicht erhöhen oder noch besser, senken.
In der Podiumsdiskussion der IHK zu Schwerin, zu der ich als Bürgermeisterin geladen war, erklärten uns Ministerpräsident Sellering (SPD), Innenminister Caffier (CDU), Fraktionsvorsitzender der Linken Holter und Herr Saalfeld (Grüne) ihre politischen Ziele. Von SPD und CDU wurde deutlich gesagt, dass es dem Land gut gehe. Aber wer ist das Land?
Aus Sicht der Bürgerinnen und Bürger und damit aus Sicht der Kommunen sieht das anders aus. Im Landkreis Ludwigslust-Parchim sollen inzwischen etwa 90% der Städte und Dörfer verschuldet sein, Tendenz steigend. Das Innenministerium über die Kommunalaufsichten im Landkreis fordern von uns ehrenamtlichen Bürgermeistern, Stadt- und Gemeindevertretern, die Steuern (Gewerbesteuer, Grundsteuer A und B auf Landesdurchschnitt plus 20%) zu erhöhen. Daran sind auch die Schlüsselzuweisungen und Fördermittel gekoppelt. Außerdem das Streichen freiwilliger Leistungen gefordert.
In den Antworten der Parteien zu den  Wahlprüfsteinen las ich, dass die Verschuldung der Kommunen u.a. an den gestiegenen Kosten für Sozialleistungen liege und dass sie das Finanzaus-gleichsgesetz verändern wollen. Davon war nichts in der Diskussion zu hören.
Ich bin seit 1991 Unternehmerin, seit 2 Jahren ehrenamtliche Bürgermeisterin der Stadt Crivitz.
Auf meine Frage, wie die Parteien denn den Widerspruch zwischen dem Wunsch der IHK und der Forderung des Landes an uns lösen will und ob sich mit der Wahl etwas verändern würde, antwortete mir als Einziger Herr Caffier in unglaublicher Weise.
Er diffamierte öffentlich die Arbeit der ehrenamtlichen Crivitzer Stadtvertretung und des Bürger-meisters als jahrelange Misswirtschaft und hat dabei wohl völlig vergessen, dass das bei uns 20 Jahre lang die CDU war. Ich könnte mich zurücklehnen, weil es vor meiner Zeit war. Vielleicht war aus heutiger Sicht mal eine Entscheidung unglücklich. Jahrelange Misswirtschaft konnte ich bisher nicht entdecken. Übrigens: Heißt das, dass die 90% Kommunen im Landkreis ebenfalls schlecht gewirtschaftet haben?
Noch interessanter war seine Forderung, dass wir prüfen sollten, ob wir noch jedes Gemeindehaus brauchen. In Crivitz gibt es das Bürgerhaus mit Bibliothek und Heimatmuseum, in Kladow das Dorfgemeinschaftshaus mit Feuerwehr und in Wessin das Kulturhaus. Was, Herr Caffier, ist aus Ihrer Sicht abzuschaffen? Kunst, Kultur, Vereinsarbeit? Abschaffung des Ehrenamtes? Dinge der Daseinsvorsorge? Das Abschieben von „Schuld“ auf andere funktioniert verdammt gut. Landespolitik, die einfach zu weit weg ist. Das sehe ich mit großer Sorge!
Crivitz war bisher ein Vorbild im Sinne der Landespolitik und hat 8 Dörfer eingemeindet. Für die Dörfer war dies der letzte Weg aus der finanziellen Notlage. Für das Grundzentrum Crivitz bedeutet es mehr Aufgaben. Die Probleme der Dörfer mit der Infrastruktur erbten wir mit. 2013 waren wir wiederum vorbildlich im Sinne der Landespolitik und haben eine Fusion mit drei Ämtern zu einem Amt Crivitz vollzogen. Selbst damalige Fusionsbefürworter unter uns würden gern die Uhr zurückdrehen. Auch diese Fusion bezahlen wir Kommunen derzeit teuer. Die Kreisgebietsreform zeigt uns ebenfalls keine Ersparnisse, denn eine Reduzierung der Kreisumlage ist derzeit nicht zu erkennen. Wie denn auch. Die Wege werden weiter und damit auch bürgerferner.
Mein Fazit ist: die Kommunen als kleinste Einheit im Land sind unterfinanziert. Vereinfachung von Verwaltungsabläufen, Abschaffen von Doppelstrukturen sind an der Zeit. Unsere Amts- und Kreisumlage muss reduziert werden. Das Land muss besser seiner sozialen Verantwortung gerecht werden. Bei fehlenden Fachkräften und einer immer noch viel zu hohen Arbeitslosigkeit muss endlich mehr passieren, denn das bezahlen wir alle wirtschaftlich und gesellschaftlich.
Und noch eins: Bei Kinderarmut in einem reichen Mecklenburg-Vorpommern zu sagen, dass es dem Land gut gehe, Herr Ministerpräsident, ist für mich eine Fehleinschätzung der realen Lage und zeigt mir deutlich, warum Wähler nach Alternativen suchen.

Britta Brusch-Gamm

Link zum Artikel der SVZ:

http://www.svz.de/regionales/mecklenburg-vorpommern/landtagswahl-mv-2016/debatte-um-den-heissen-brei-id14371946.html